Kenjutsu – japanischer Schwertkampf
Kenjutsu (剣術) setzt sich aus den japanischen Wörtern „Ken“ für das Schwert und „Jutsu“ für die Technik oder die Kunst zusammen. Kenjutsu steht damit für jegliche Formen der japanischen Schwertkunst. Im Kenjutsu geht es um das Erlernen von technischen Fertigkeiten der Schwertführung sowie von Strategien und Taktiken, um auf dem Schlachtfeld zu siegen.
Kenjutsu war ein Privileg der Samurai, der Kriegerkaste des feudalen Japan. Der Name „Samurai“ bedeutet „Diener“ oder „Beschützer“. Ursprünglich waren die Samurai nur Soldaten im Dienste des Kaisers und der Adelsstämme. Durch den Aufstieg des Shogunats und der Errichtung einer Militär-Aristokratie stiegen die Samurai zur regierenden Schicht auf.
Die ältesten Kenjutsu-Schulen (darunter Katori Shinto-Ryu, Kashima Shinto-Ryu und Yagyu Shinkage-Ryu) entstanden in der Muromachi-Zeit (1336 bis 1573) . Gleichzeitig entwickelte sich auf der Insel Okinawa das Udundi, welche sowohl Kenjutsu, als auch Iaijutsu, die Kunst der schnellen Schwertziehens vereinigte. Iaijutsu war notwendig, wenn der Gegner unerwartet sein Schwert zog. Es wurden Techniken entwickelt, mit dem das eigene Schwert schneller gezogen werden konnte, um den ersten Schlag auszuführen. Die Techniken nach dem besagten ersten Schlag (iai) gehören dann zum Kenjutsu. Zum Iaijutsu gehört danach aber wieder das korrekte Zurückstecken des Schwertes in einem Zug.
Während der Edo-Zeit ( 1603 bis 1868) stieg die Zahl der Kenjutsu-Schulen enorm an. Je nach Quelle werden 500 bis 1.500 Schwertkampfschulen vermutet. Gleichzeitig kam es zu einer Weiterentwicklung sowie der Schwerttechnik, der Unterrichtsmethoden als auch der Ausrüstung. Die besondere, leicht gekrümmte Form der Schwerter verlangt eine schneidend, ziehende Bewegung, um einen sauberen Schnitt zu setzen. Das Schwert soll aufgrund seines Eigengewichtes schneiden. Die Hände halten es lediglich in der Bahn und führen es. Wenn festes Gewebe, Knochen oder Anderes zu durchschneiden ist, wird zusätzlich ein gewisser Kraftaufwand nötig. Die Schwertführung selbst soll aber dennoch locker sein. Kenjutsu basiert nicht auf Kraft und Ausdauer, sondern auf Schnelligkeit und Präzision. Der erste Schnitt entschied üblicherweise bereits über Leben und Tod. Längere Schlagabtausche wie sie häufig in Samurai-Filmen zu sehen sind, wurden von der Filmindustrie zu Unterhaltungszwecken erfunden.
Um die Verletzungsgefahr zu reduzieren und die scharfen Schwerter zu schonen, wurde der Bokken als Trainingswaffe eingeführt und Kata zu einem wichtigen Bestandteil der Ausbildung. Jede Kenjutsu-Schule entwickelte hierzu ihr eigenes Programm, und sogar die verwendeten Bokken unterschieden sich in Material, Gewicht, Form und Länge. So verwendet man beispielsweise im Yagyu Shinkage-Ryu ein relativ dünnes Bokken ohne Handschutz (Tsuba) verwendet; im Kashima Shin-Ryu dagegen ein erheblich dickeres und bedeutend schwereres Bokken mit längerem Schaft.
Einige Kenjutsu-Schulen entwickelten Schwertformen, bei denen die beiden Schwerter des Daito, Katana und Wakizashi, gleichzeitig verwendet wurden. Diese Formen werden als Nitojutsu bezeichnet. Stile, welche Nitojutsu unterrichten, werden Nito-Ryo genannt. Miyamoto Musashi, einer der berühmtesten japanischen Schwertkämpfer, begründete die Hyoho Niten Ichi-Ryu. Im Westen ist er vor allem durch sein „Buch der 5 Ringe – Gorin no Sho“ bekannt. Neben den Techniken seiner Schwertschule beschreibt er darin auch die geistige Haltung von Reinheit, Wachsamkeit und Spontanität im Schwertkampf: Im realen Schwertkampf gibt es keine festen Regeln. Man muss immer der Situation angemessen handeln. Die Aktion muss aus der Situation heraus erschlossen und der Weg des Schwertes zum Weg des Selbstverständlichen werden.
Ein anderer Schwertmeister, Yagyu Munenori, schrieb 1632 das „Heiho kaden Sho“ über den „Weg der Samurai“. Darin legt er die Lehre von den zwei Schwertern, dem todbringenden und dem lebenspendenden Schwert, dar. Wichtiger, als den Gegner zu töten, ist es, den Kampf zu vermeiden oder falls dies nicht gelingt, im Kampf so zu agieren, dass man die Möglichkeit hat, den Gegner zu schonen. Auch in einer Ausnahmesituation sollte man Gelassenheit üben und den Alltagsgeist widergewinnen.
Im 18. Jahrhundert kam zum Waffenprogramm des Kenjutsu das Bambus-Schwert, das Shinai, und die Schutzkleidung, Bogu, hinzu. Das Shinai ist eine nachgiebige Waffe aus zusammengebundenen langen Bambusteilen. Es hat keine Biegung, eine andere Ausgewogenheit als der Bokken und ein viel geringeres Gewicht. Damit konnten nun auch Übungssequenzen mit vollem Krafteinsatz trainiert werden. Ein Vorläufer des Shinai, der Fukuro Shinai, ein mit Lederstreifen oder Stoff umwickeltes Bambus-Bokken kann ins 15. Jahrhundert datiert werden.
Mit Beginn der Abschaffung des Feudalismus und im Zuge der Industrialisierung ab 1868 (Meiji-Restauration) verlor die bis dahin dominierende Klasse der Samurai ihr Ansehen und ihre Bedeutung. Die Schwertkampfschulen verloren nicht nur Schüler, sondern auch ihre gesellschaftliche Stellung als Ausbildungsstätte von Führungspersönlichkeiten. An ihre Stelle traten nun Akademien zum Aufbau von Polizei und Armee, in denen das Wissen um die traditionellen Kampfkünste bewahrt wurde. Die Ausbilder, ehemalige Samurai, fanden so einen Weg, die alten Kriegskünste zu geistig-moralischen Lehren zu entwickeln. Es entstand das moderne Bushido: „Die Schwertkunst war nun nicht mehr eine kriegerische Angelegenheit, in der Sieg oder Niederlage, Tod oder Leben entscheidend waren und die ausschließlich Samurai betraf. Sie wurde nun zu einer Kunst erhoben, die Körper, Geist und Seele vereinen sollte. Aus Bujutsu wurde Budo und damit ein festes Fundament philosophischer Verwurzelung des Samuraigedankens in allen Bevölkerungsschichten Japans“(Axel Schultz-Gora 2005: Bokken. Das hölzerne Schwert der Samurai).
Die Schwertkampfkunst veränderte sich dabei grundlegend: Kenjutsu verwandelte sich in Kendo, einen sportlichen Wettkampf. Das Shinai ersetzte das Bokken. Die Bekanntheit des Kendo nahm rasch zu. Gleichzeitig traten aber die realistischen Ausführungen der traditionellen Schwertkunst in den Hintergrund. Auch andere alte Kampfkünste wurden damals in moderne Sportarten überführt. So wurde beispielsweise aus dem traditionellem Bogenschießen, dem Kyu-Jutsu, das Kyodo. Aus verschiedenen alten Ju-Jitsu Stilen entwickelte 1888 Jigoro Kano (1860 – 1938) das Judo als Leibesertüchtigung und führte es an der Tokio Universität ein. Bereits 1890 wurde Judo als Pflichtdisziplin in allen Schulen und Ausbildungsstätten Japans eingeführt.
Kendo – Weg des Schwertes
Der Name Kendo (剣道) leitet sich aus dem Wort „ken“ für Schwert und „Do“ für Weg ab. Übersetzt bedeutet es daher der „Weg des Schwertes“, welcher nicht nur die Techniken und Taktiken des Schwertkampfs, sondern auch die geistige Ausbildung des Menschen verfolgt. Durch Kendo sollen sich vor allem Charakterfestigkeit, Entschlossenheit und moralische Stärke entwickeln.
Kendo entwickelte sich aus einer ganzen Reihe verschiedener Kenjutsu-Formen. 1895 wurde das Dai Nippon Butoku Kai als gemeinsamer Verband für sämtliche Schwertkampfkünste gegründet. Es erarbeitete die moderne Form des Kendo. Das Dai Nippon Butoku Kai orientierte sich dabei natürlich vor allem an den Kenjutsu-Formen, die das Ende des Shogunats überdauert hatten. Bereits 1911 wurde Kendo in japanischen Schulen als Pflichtfach eingeführt und verbreitete sich dadurch überall. Kritiker behaupteten damals, man wolle so im Dienste des Kaisers aus japanischen Jungen bessere Soldaten machen. Auch heute noch gehört Kendo in Japan neben Baseball und Sumo zu den beliebtesten Sportarten.
Auf dem Weg vom kriegerischen Kenjutsu zum sportlichen Kendo verschwanden gefährliche Techniken und es wurde ein umfangreiches Regelwerk mit Verhaltensregeln und Bewertungskriterien geschaffen. Ziel im Kendo ist es, den Gegner unter Einhaltung dieses Regelwerkes nach Punkten zu besiegen. Punkte erhält man durch das korrekte Treffen ungedeckter Stellen des Kopfes (Stirn, Schläfe), des Kehlkopfes, der Handgelenke und der Flanken. Damit der Punkt zählt, muss der Treffer von einem Kampfschrei (Ki-Ai) begleitet werden. Um Verletzungen zu vermeiden, tragen die Kämpfer über ihrem Dogi eine Rüstung (Bogu) aus Kopfschutz, Brustpanzer, Lendenschutz und Handschutz. Zum Treffen setzt man den geraden, leichten Bambus-Stock Shinai ein, welcher beim Auftreffen gut nachgibt.
Ein Kendoka muss die Blöße seines Gegners entdecken und ihn blitzschnell angreifen und treffen. Er darf nicht zögern. Die dafür notwendige Wachsamkeit und Entschlossenheit stammt aus dem alten Kenjutsu und kommt dem echten Kampf sehr nahe. Dennoch hat das moderne Kendo mit dem traditionellen Kenjutsu nicht mehr viel gemein. Beim Kendo gibt es keine echten Verteidigungen. Es ist nicht wichtig, ob man selbst getroffen wird, sondern entscheidend ist nur der eigene Schlag. Die eingeschränkten Trefferstellen und Techniken erlauben dem Kendoka zudem nur begrenzte Handlungen. Das Shinai, welches sich stark vom Katana oder vom Bokken unterscheidet, verfälscht die ursprünglichen Bewegungen des Kenjutsu. Zudem fehlt die Handlung des Schwertziehens.
Iaido – Weg des Schwertziehens
Der Kunst des Schwertziehens nimmt sich das Iaido an. Es ist aus dem Iai-Jutsu entstanden. Man hatte bereits sehr früh erkannt, dass viele Zweikämpfe bereits mit dem ersten Schwertschlag entschieden wurden. Damit hing das eigene Überleben vom schnellen Ziehen und dem unmittelbar darauf folgenden Angriff ab. Nur, wenn der Angriff vom Gegner pariert wurde, musste ein zweiter folgen. Es wurden daraufhin Techniken entwickelt, bei denen das Schwert so gezogen wird, dass es noch während des Ziehens als tödliche Waffe eingesetzt werden kann. Dieses Battojutsu („Schwertziehen“) oder auch Iai-Jutsu ist der historische Vorgänger des modernen Iaido.
Der Name „I-Ai-Do“ ( 居合道) setzt sich aus 3 Silben zusammen: „I“ steht für „körperlich und geistig anwesend, präsent sein“, „Ai“ bedeutet hier „passen“ oder „übereinstimmen“ und „Do“ für „Weg“. Iaido ist also der „Weg des ganz Präsent-Seins“. Im Iaido sind das Ziehen des Schwertes und der erste Schnitt eine Bewegung, die bereits schon tödlich sein kann. Das konzentriert den Zweikampf auf diesen einen Moment, in dem die kampfentscheidende mentale Stärke des Samurai zum Ausdruck kommt.
Im Iaido werden Kata-Formen geübt, wobei jede Kata einer speziellen realen Schwertkampfsituation entspricht. Iaido-Anfänger üben zunächst mit dem Bokken die grundlegenden Bewegungsabläufe. Fortgeschrittene setzen dann das Iaito, ein Übungsschwert mit stumpfer Klinge, ein, um die Techniken des Ziehens (Nuki Tsuke), des Schneidens (Kiri Tsuke), des Blutabschüttelns (Chiburi) und schließlich des Zurücksteckens (Noto) der Klinge in die Scheide (Saya) korrekt zu erlernen. Meister üben später mit einem Shin-Ken, einem echten Schwert mit scharfer Klinge.
Im Iaido gibt es, ganz im Gegensatz zum Kendo, keine Auseinandersetzung mit einem realen Gegner. Es wird hauptsächlich allein ausgeführt. Es ist nur ein imaginärer Gegner vorhanden. Ziel ist es, sich auf die exakte und sichere Ausführung der Kata zu konzentrieren und die Einheit von Körper, Geist und Schwert zu entwickeln (Ki-Ken-Tai-Ichi). Jede Handlung muss mit vollkommener Wachsamkeit und Perfektion ausgeführt werden. Man versucht, seine eigenen Fähigkeiten zu meistern und seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Es gilt, den Sieg über sich selbst zu erzielen.